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Die Affiliationstheorie von Schachter
Literatur:
Theorien der Sozialpsychologie Bd. III(Frey/Irle Hrsg) Kognitive Theorien Verlag Hans Huber 2.Aufl.1993



Hinweis: nicht prüfungsrelevant im Herbst 98


1.Fragestellungen
- unter welchen physischen und psychischen Bedrohungen sind wir lieber alleine oder mit anderen zusammen?
- mit welchen anderen wollen wir zusammen sein?
- was erwarten wir vom Kontakt?
- was vermeiden wir bei Isolation?
- was geschieht tatsächlich beim Zusammensein mit anderen, und wie wird dadurch die Streßbewältigung beeinflußt?

Schachter´s erste dahingehenden Experimente 1959:
- warten Personen, die physischen Schmerz erwarten (also Angst haben) lieber alleine/mit anderen, oder mit wem und aus
  welchen Gründen?

2.Annahme/Theoretische Überlegungen:
- Angst und Kontaktsuche hängen zusammenn
- Angst führt zu einer Zunahme affiliativer Reaktionen

Begründung für die Hypothese 1:
- ängstliche Personen hoffen auf Unterstützung und Trost und damit Angstreduktion
- sozialen Vergleich  (Festinger 1954) nahm Schachter auch für Emotionen an
  - emotionale Vergleichsprozesse treten insbesondere dann auf, wenn die Emotion stark und die relevante Situation neu ist
    (Hypothese 2a)
- Personen in vergleichbarer/gleicher Situation werden bevorzugt: "..misery ...loves only miserable company"
  (Schachter 1959, zitiert nach Quelle S.12)  -- (Hypothese 2b)
- Beziehung zwischen Angst und Affiliation gilt nur für Erstgeborene und Einzelkinder ( unerwartetes Nebenergebnis der
  Untersuchung)   (Hypothese 3)
  - Schachter führt dies lerntheoretisch auf höhere Dependenz Erstgeborener/Einzelkinder zurück
  - Bedürfnisse Erstgeb/Einzelk. werden von den Müttern konsistenter und effektiver befriedigt, als bei Spätergeborenen
  - Spätergeb. erfahren ältere Geschwister als angsterregend
  - Für Erst-/Einzelgeb. werden andere Menschen zu einem generalisierten Verstärker
  - für Spätergeb. zu einer generalisierten Bedrohung
  - lerntheoretisch müßte diese Ableitung zu direkter Angstreduzierung und nicht zunächst sozialem Vergleich führen

2.1. Die Experimente und Ergebnisse
- Untersuchungen zur Auswirkung von Elektroschocks wurden angekündigt (Angsterzeugung)
- weibl. Vpn: hohe Angst induziert durch die Erwartung sehr schmerzhafter, aber nicht dauerhaft schädlicher Schocks
                     niedrige Angst induziert durch Erw. relativ milder, prickelnder Schocks
  Affiliationswunsch induziert durch Wartezeit von 10 Minuten wg. "Einstellung der Apparaturen"

- schriftliche Angabe, ob Wartezeit lieber alleine oder mit anderen oder ob egal

Ergebnis: hohe Angst bewirkt gegenüber niedriger Angst eine Zunahme des Affiliationsbedürfnisses

Hypothese 2 (Grundlage des Kontaktbedürfnisses ist Angstreduktion und sozialer Vergleich) konnte Schachter nur indirekt plausibel machen, indem er alternative Bedürfnisse ausschloß.
- Personen haben das Bedürfnis nach
  - kognitiver Klarheit (was geht hier eigentlich vor?)
  - Angstreduktion
  - indirekter Angstreduktion durch Ablenkung

kogn.Klarheit und Angstreduktion kann nur dadurch befriedigt werden, daß über die Situation gesprochen wird.

Allerdings fand Schachter, daß Vpn auch dann lieber mit anderen zusammen warten wollten, wenn keine oder irrelevante Kommunikation erlaubt war - also schloß Schachter diese Motivationen aus.

- indirekte Angstreduktion schloß er aus, weil Vpn liebr mit Personen in der gleichen Situation als mit Personen anderer Befindlichkeit zusammen sein wollten.

- er fand auch als bestätigend, daß ablenkende Unterhaltung nicht gewünscht war (keine Zunahme des Affiliationsbedürfnisses
   bei Vergleich  "irrelevanter" zu "keiner" Kommunikation

Es bleiben 2 denkbare Motivationen übrig:
- Bedürfnis nach direkter Angstreduktion durch soziale Unterstützung
- Bedürfnis nach sozialem Vergleich der Emotion

- dies ist auch durch nonverbale Kommunikation möglich

Hypothese 3 (Relation Angst/Affiliation gilt nur bei Erst-/Einzelgeb.) wurde ebenfalls bestätigt.

4. Diskussion
- möglicherweise unvollständiger Bedürfniskatalog (sah Schachter ebenso)
- nur Plausibilität, kein eindeutiger Nachweis der unterstellten Motivationen
- bislang auch bei Folgeexperimenten kein schlüssiger empirischer Beleg für das Bedürfnis nach sozialem Vergleich  der
  Emotionen
- Zikulärschluß: Angst>>höhere Unsicherheit>>mehr Affiliation>>erhöhte Unsicherheit>>???
- fraglich ist, ob überhaupt Unsicherheit über die empfundene Emotion besteht - wahrscheinlich wissen die Vpn, daß sie
  Angst haben
- hohe Abbruchquoten zeigen, daß Vpn die eigenen Gefühle gut erkannten und entsprechend zu handeln wußten
- soziales Vergleichsmotiv nicht so stark, oder Angst ist eindeutig
- Annahme, daß sozialer Kontakt erst dann bedeutscam ist, wenn individuelle Bewältigungsstratien nicht mehr ausreichen
- set effect: Vpn, die über das Experiment informiert waren, gaben höheres Affiliationsbedürfnis an
- Die Variable "Stellung in der Geschwisterreihe" wurde nie eindeutig geklärt, nur nebenbei miterhoben
   Diesbezüglich teilweise widersprüchliche Ergebnisse wurden post hoc vermutet, nicht bewiesen
- Untersuchungen zu positiven Emotionen fehlen fast vollständig, es ist nicht empirisch belegt, daß JEDE ungewöhnliche
   und starke Erregung zu Affiliation führt, sondern bei Schachter reduziert auf "Angst".

5.Weitere Forschung
- Einschätzung der Kontaktperson
- bei sozial unangemessenen Gefühlen (Scham) ziehen Vpn Isolation oder Kontakt mit Nicht-Betroffenen vor, um Ablehnung zu
   vermeiden (Lynch et.al. 1973)
- Kontaktpersonen in der gleiche Situation werden solchen in anderen Situationen vorgezogen
- sozialer Vergleich ist wichtiger als kognitive Klarheit
- verbale und non-verbale Zeichen der Angst werden von Betroffenen besser verstanden, als von nicht-mehr-Betroffenen
   - daher lieber Warten mit Personen, die das Experiment noch vor sich hatten, als solchen, die es schon hinter sich hatten
- bei Informationen über den gleichen oder abweichenden emotionalen Zustand der anderen, werden die höher ängstlichen
   gemieden
  - Personen wollen vermutlich eher die Chance wahrnehmen, beruhigt zu werden, höher ängstliche Personen erhöhen aber
    die eigene Angst, statt zu beruhigen
- ähnliche Kontaktpersonen werden unähnlichen vorgezogen, auch, wenn erstere in einer anderen Situation sind
- akzeptierende und einfühlsame Personen werden gegenüber ähnlichen Personen bevorzugt
- Festinger (Streßforschung 1950): bei starken Emotionen ist der Wunsch nach Akzeptanz eine entscheidende Motivation
- evtl. nichtinstrumentelles Kommunikationsbedürfnis ohne weiteres Ziel (besonders für positive Emotionen?)
- dies entspricht der Ausgangsüberlegung Schachters, daß der Säuglich von der Mutter lernt, andere Menschen als
  Sicherheitssignal zu empfinden.
- akzeptierende Personen werden bevorzugt, weil sie streßmindernd sind
- Menschen, die eine Bedrohung teilen, sind von vorneherein sympathischer weil ihnen Mitempfinden unterstellt wird
- anwesende Person wird
  - akzeptiert, wenn sie das Gefühl von Sicherheit und Unterstützung vermittelt
  - abgelehnt, wenn sie als Auslöser der Bewertungsangst empfunden wird
- Angstreduktion ist zu erwarten, wenn die Kontaktperson
  - ruhiger und weniger ängstlich ist
  - Empathie erwarten läßt (z.B. ein Freund ist)
- Interaktion der Art des Stressors mit der Art der Kontaktperson:
  - bei Peinlichkeit erhöhte Streßreaktion
  - bei Furcht keine erhöhte Streßreaktion
- demzufolge: je nach Stressor treten Affiliations- oder Vermeidungsreaktionen auf
                     Streßreduktion nur bei kongruentem Verhalten
- je höher die spezifische Ich-Bedrohung, umso geringere Affiliationstenenz
- Furcht vor Ablehnung ruft eine zusätzliche Bedrohung hervor
- Empfinden und Zugestehen von Angst wird geschlechtstypisch erworben
- Frauen zeigen in Streß-Situationen mehr Angst als Männer
- Beziehung zwischen Angst und Affiliation ist bei Frauen stärker als bei Männern
- Männer erleben Angst als unpassend (Scham) und zeigen eher Isolationsverhalten

6. Schlußfolgerungen
- Schachters Grundhypothesen müssen differenziert werden
1.Hypothese: Beziehung hohe Angst führt zu hoher Affiliation
nur, wenn keine negativen Konsequenzen erwartet werden, bei spezifischer Ich-Bedrohung eher Isolationstendenzen
2.Hypothese: es ist nicht der Zustand und damit die Vergleichbarkeit der Kontaktperson, sondern es sind ihre erwarteten
Verhaltensweisen, die Affiliation, Isolation oder Gleichgültigkeit bedingen
"..misery loves miserable company only" ist also nicht aufrechtzuerhalten
3.Hypothese: Stellung in der Geschwisterreihe und Geschlecht sind zu weit gefasste Operationlisierungen


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